At the age of 25, I was an alcoholic and now I understand my father’s addiction.

Mit 25 Jahren war ich Alkoholiker und jetzt verstehe ich die Sucht meines Vaters.

Auslöserwarnung: Dieser Artikel behandelt Alkoholismus, Tod und Sucht.

Als ich elf Jahre alt war, ließ mich mein Vater vier Stunden lang im Auto auf einem Parkplatz sitzen, während er in eine Kneipe ging. Und das war nicht unbedingt ein Einzelfall. Trotz der Tatsache, dass ich mich nicht an viel aus meiner Kindheit erinnern kann, zog sich eines doch wie ein roter Faden durch meine Jugend: Alkohol.

All diejenigen mit einem alkoholabhängigen Elternteil wissen genau, wovon ich rede. Wir alle haben schlimme Erinnerungen, die uns ein Leben lang erhalten bleiben – und es ist schwer, genau zu sagen, wann das Ganze so richtig kippte. War es, als ich gezwungen wurde, meinen alkoholabhängigen Vater in einer Entzugsklinik zu besuchen, ohne wirklich zu verstehen, was er da machte? War es, als ich ihn zufällig zu Hause mit einer Flasche Wein in der Hand erwischte, nur Monate nach seiner Entlassung aus der Klinik (und obwohl er behauptet hatte, jetzt nüchtern zu sein)? Oder vielleicht war es der Tag, an dem er mich aus der Schule abholte, weil es mir nicht gut ging, und mir im Auto klar wurde, dass er betrunken war, weil er immer wieder in die Gegenspur rüberlenkte. 

Wenn du schon in so jungen Jahren mit Alkoholismus konfrontiert wirst, brennt er sich in dein Gehirn – so, als wenn du deinen Fernseher zu lange auf demselben Bild stehen lässt. Kinder von Alkoholikern haben oft sehr ähnliche Verhaltensweisen, die wir einer verwirrenden Mischung aus Angst, Wut, Unsicherheit und einer ordentlichen Prise Selbsthass zu verdanken haben. Wir lernen schon, selbst klarzukommen, bevor wir in der Schule überhaupt den Namen „Pythagoras“ hören. Wir sind uns viel stärker darüber bewusst, in welcher Hinsicht wir anders sind als unsere Eltern – und in welcher Hinsicht wir ihnen leider viel zu ähnlich sind. Wir sind quasi immer im Überlebensmodus.

Als ich also selbst mit 25 Jahren alkoholabhängig wurde, war das nicht wirklich überraschend.

Es fühlte sich so an, als sei ich vom Schicksal dazu bestimmt worden, alkoholabhängig zu sein. Es lag mir quasi im Blut.

Es gab viele Momente, in denen mir klar wurde, dass ich mich langsam in meinen Vater verwandelte. Schon während der Schulzeit versteckte ich einen kleinen Alkoholvorrat in der Erinnerungskiste, in der ich auch meine Geburtsurkunde und diverse Basteleien aufbewahrte. Mit nur 15 Jahren wettete ich mit jemandem darum, dass ich eine halbe Flasche puren Wodka wegexen könnte – und landete deswegen fast im Krankenhaus. Als ich älter wurde, waren Barabende für mich nicht nur eine nette Zeit mit Freunden, sondern Pflicht. Mein Bedürfnis nach Alkohol bestimmte mein ganzes Leben.

Vor ein paar Jahren starb dann mein Vater. Aber es fühlte sich so an, als sei er in mir wiedergeboren worden.

Ich wachte morgens verkatert auf, weinte und trauerte um ihn, fuhr zur Arbeit, danach direkt zu einer Bar, trank mich bis zur Besinnungslosigkeit, fuhr nach Hause – und am nächsten Morgen ging das Ganze wieder von vorne los. Jeden Abend trank ich mindestens einen ganzen Krug Bier alleine, und irgendwann sogar dieselbe Marke, die mein Vater immer getrunken hatte. Es fühlte sich so an, als sei ich vom Schicksal dazu bestimmt worden, alkoholabhängig zu sein. Es lag mir quasi im Blut.

Als ich zum ersten Mal beschloss, nüchtern zu werden, hing das tatsächlich gar nicht mit meinem Vater zusammen – sondern damit, dass ich einen Typen datete, der gar nicht trank. Also machte ich einen Bogen um sämtliche Orte, an denen Alkohol serviert wurde. Ich traf meine Freund:innen ein ganzes Jahr lang nicht. Ich nahm ab. Ich trank literweise Kombucha. Ich weinte. Ich spielte mit dem Gedanken, der ganzen Mühe mit einer Flasche Wodka ein Ende zu setzen. Ich dachte an meinen Vater. Während ich verzweifelt versuchte, nüchtern zu bleiben, dachte ich fast jeden Tag an ihn – und fragte mich, wieso ich ihn eigentlich damals so dafür fertig gemacht hatte, dass er selbst daran gescheitert war. 

Heute ist es, zumindest theoretisch, leichter denn je, nüchtern zu sein. In jedem Getränkemarkt gibt es unzählige alkoholfreie Optionen. 0,0-prozentiges Bier, das immer noch nach Bier schmeckt? Ein alkoholfreier Sekt, um ohne Reue anzustoßen? Kein Problem. Und natürlich: Kombucha – in. so. vielen. Geschmacksrichtungen.

Je älter ich werde, desto klarer wird mir, dass auch unsere alkoholischen Eltern – wie alle Menschen – komplexe Wesen sind. Auch, wenn uns unser Groll einredet, sie hätten nur diese eine, furchtbare Eigenschaft.

Dabei stellt sich mir aber die Frage: Messe ich den Alkoholismus meines Vaters gegen heutige Standards? Wenn mein Vater heute noch leben würde und sehen könnte, wie viele Optionen es mittlerweile gibt, das eigene Leben ohne Alkohol wieder in seine Bahnen zu lenken, hätte er den Kampf gegen seine Sucht dann gewonnen? Und vor allem: Würde ich dann auch heute noch so einen Groll gegen ihn empfinden, weil er immer wieder darin versagte, nüchtern zu bleiben?

Ich habe die Alkoholsucht meines Vaters immer als seinen fatalen Fehler betrachtet, als etwas, für das er sich selbst entschieden hatte – als hätte er sich freiwillig jeden Tag im Keller versteckt, mit einer Flasche als seine einzige Gesellschaft. Aber je älter ich werde, desto klarer wird mir, dass auch unsere alkoholischen Eltern – wie alle Menschen – komplexe Wesen sind. Auch, wenn uns unser Groll einredet, sie hätten nur diese eine, furchtbare Eigenschaft.

Ich habe mit meinem Vater nie darüber geredet, wie sein Leben eigentlich vor der Sucht aussah und wieso er mit dem Alkohol anfing. Jetzt werde ich es auch nie tun können. Was ich aber sehr wohl über ihn weiß, ist, dass seine Vergangenheit voller Benachteiligungen und Anstrengungen war. Als Migrant und eines von zwölf Kindern musste sich mein Vater noch dazu mit einer strengen katholischen Erziehung herumschlagen. Ich weiß, dass er schon immer im Überlebensmodus war. In gewisser Hinsicht musste ich daher auch nie explizit von ihm hören, was genau er erlebt hatte – ich weiß es einfach.

Wir tranken beide, weil wir glaubten, eine selbsterfüllende Prophezeiung zu sein. Ich weiß, dass ich einfach nur Glück hatte, diesem Teufelskreis zu entkommen.

Ich weiß aber auch, dass er zum Beispiel als Kind sehr viel Freude daran hatte, Hühner zu halten – sowohl, weil sie eine verlässliche Nahrungsquelle waren, als auch, weil er Tiere liebte. Ich weiß, dass er trotz seiner harten Schale sehr viele Gefühle in sich trug und sich alles zu Herzen nahm. Ich weiß, dass er eine komplizierte Beziehung zu seiner eigenen Familie hatte. Ich weiß, dass er sich während seiner letzten Jahre immer mehr von seiner weichen Seite zeigte und Kunst erschuf, die bis heute an meiner Wand hängt. Ich weiß, dass ich diese weiche Seite von ihm aber erst so richtig erkannte, als er schon im Grab lag – nachdem mein eiskalter Groll endlich zu schmelzen begann.

Ich embody my father, both his good and bad sides. We both feel too much. We both cry when animals are suffering. We both can’t suppress our anger because it feels so overwhelming. We both withdraw when everything becomes too much. We both beat ourselves up over the smallest trivialities. We both drank because we believed it to be a self-fulfilling prophecy. I know I was just lucky to escape this vicious cycle.

My alcoholism created a whole new bond between me and my father – and my withdrawal gave me a completely new understanding of him, albeit only after his death. Yes, he is dead. Yes, he will never read these words. And yes, we will never be able to apologize to each other for our strained relationship. I always felt like my future was already predetermined – but by becoming sober, I not only escaped my personal vicious cycle, but also finally started to forgive my father.

If you believe that you have a problem with alcohol yourself, or know someone who might, you can find help at Kenn-dein-Limit.de or by calling the information hotline of the Federal Center for Health Education (BZgA) for addiction prevention at 0221 892031.

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